Bildausschnitt Header Werke Reinhild Stötzel

Bildserie „Flucht 2015“ –

evangelische Kirche St. Michael, Wolfrats­hausen


Ausstellung vom 25. September bis 11. Oktober 2015

Zeitungsbilder sind manchmal Zeitdokumente. Dann fange ich an, sie zu sammeln und schließlich gelangen sie in meine Bilder.

Die hier gezeigte Bildserie enthält Fotos ab 2014. Da gab es schon in zunehmender Dichte Nachrichten über schiffbrüchige Bootsflüchtlinge und die Zaunkletterer in der spanischen Enklave Mellila.

Seit dem Frühjahr dieses Jahres wurden wir mit Berichten, Zahlen und Bildern konfrontiert, die den Begriff „Völkerwanderung“ nahelegen. Dabei erfuhren wir ein allmähliches Umkippen unserer Vorstellungen vom Mittelmeer-Raum als Landschaft und als Teil unserer Kulturgeschichte. Sehnsuchts-Buchten in schönsten Blautönen und heiter gelassene Lebensart mit Tradition zurück bis zu den Griechen und Römern wandelten sich zu Festungen und Todesfallen für Tausende – und der Ansturm lässt nicht nach…

Die Gründe sind vielfältig, und Europa ist sicher nicht frei von Verantwortung für diese Entwicklung.

Es entstanden die Tafeln 2 und 3.

Die Bilder habe ich auf einem Grundraster von 5 x 5 Feldern angelegt. (Suchquadrate, tagebuchartige Wiederholungen, Unschärfen der Print-Medien…)  Mit dem Spachtel verzogene Blautöne werden durchbrochen von Abbildungen überfüllter Flüchtlingsboote oder Szenen gerade noch gestrandeter Schiffbrüchiger, kontrastierend zum heiteren Blau.

Das Gemälde Flucht III von Reinhild Stötzel

Flucht 3, übers Mittelmeer, Öl und Collage auf Leinwand, 80×80, 2015

Tafel 1 war die notwendige Ergänzung als Frage nach den Gründen.

Kriegerische Auseinandersetzungen im Mittleren Osten und in afrikanischen Ländern. Man erkennt Spuren, Zerstörungen, Blut, überfüllte Transporter, Wüste… aber alles verworren, undurchschaubar.

Das Gemälde Flucht I von Reinhild Stötzel

AFRIKA-LEVANTE, FLUCHT 1, Öl und Collage auf Leinwand, 80×80, 2015

Tafel 4 und 5 entstanden im September 2015.

Wieder ist eine neue Situation entstanden. Eine Syrische Familie zahlt 4.000 € für die Bootsfahrt nach Lesbos – sie wollen nach Kanada – alle ertrinken, der Vater überlebt. Ein Foto des angespülten dreijährigen Sohnes erschüttert die Welt; England will nun doch Flüchtlinge aufnehmen, Frau Merkel erklärt den Ausnahmezustand für alle Verfolgten und heißt sie willkommen. Sie kämpfen sich durch, jenseits aller Regeln, von Grenzbahnhof zu Grenzbahnhof. Mit wachsendem Staunen vernehmen wir die Zahlen und realisieren allmählich, dass dies alles Menschen sind mit Bedürfnissen, Hoffnungen, Gefühlen – einige werden demnächst unsere Nachbarn sein…

Bewährt hat sich auch hier die Spachteltechnik verzogener Ölfarbe in Kombination mit collagierten Zeitungsbildern. So wird die scheinbare Objektivität der Fotos von Farbstrukturen überlagert, die das Mehrschichtige, Verworrene der Situation zum Ausdruck bringen.

Am Ende in Tafel 5 das hoffnungsvolle Grün, das auf die Kirche verweist, den Ort definierter Hoffnungen.

Die Gemälde Flucht IV und V von Reinhild Stötzel

FLUCHT 4, Ertrunkenes Flüchtlingskind, Öl und Collage auf Leinwand, 40×80, 2015 – Rechts:  FLUCHT 5, Überwindung der EU-Grenzen, Öl und Collage auf Leinwand, 40×80, 2015